Rückenakt
Eine der wenigen Wandskulpturen von brigitte c. bARTen, in denen eine konkrete Thematik zu sehen ist, findet sich in diesem Rückenakt. Er ist einer von mehreren Rückenakten der Künstlerin. Fragt man sie nach einem Grund für diese realistische Thematik, dann erhält man zwei, allerdings relativ vage, Antworten. Einmal ist die Thematik als solche für sie durchaus interessant. Vor allem aber wird auch hier eine Geschichte erzählt.
Natürlich kann man die Form eines weiblichen Körpers durch die dritte Dimension der Relieftechnik besonders gut lesbar machen. Aber Rückenakte gibt es viele. Was also ist hier das Besondere? Kunst möchte interessierten BetrachterInnen in keinem Fall etwas aufzwingen, möchte in ihrer Wirkung dennoch so bezwingend sein, dass man vor ihr verharrt. Wie gelingt es .brigitte c. barten BetrachterInnen dazu zu bringen, vor diesem Rückenakt zu verharren?
Ethymologisch betrachtet verbirgt sich hinter dem Begriff "Akt" das lateinische Verb "agere", das soviel bedeutet wie "sich in Bewegung setzen". Die Figur ist hier nicht einfach als Relief auf einer glatten Tonplatte aufgearbeitet. Vielmehr bewegt sie sich in einer imaginären Landschaft mit einer großen räumlichen Tiefe. Das untere Drittel der Trägerplatte ist mit vielen kleinen, unregelmäßig geformten Tonplättchen belegt, die auch noch ungleichmäßig hochstehen. Zusammen mit der ebenfalls ungleichmäßig eingesetzten grünen Glasurfarbe entsteht so der Eindruck eines Grasteppichs, über den die Person schreitet. Da wir als BetrachterInnen nur den Rücken der Person sehen, besitzen wir die gleiche Blickrichtung. Die Figur schreitet in die Landschaft hinein, und wir warten darauf, dass sie entschwindet und den Bildausschnitt verläßt.
Die oberen zwei Drittel der Tonplatte sind ebenfalls nicht einfach glatt, sondern sehr leicht, aber unregelmäßig strukturiert. Dieser Eindruck wird durch den Einsatz der Glasurfarbenpalette unterstützt. Man gewinnt den unbedingten Eindruck, dass die Person in einer nicht näher beschreibbaren Landschaft langsam verschwinden wird, vorausgesetzt, wir, die BetrachterInnen folgen ihr nicht auf ihrem Weg. Dieser Eindruck einer harmonischen Vorwärtsbewegung wird verstärkt durch die erkennbare Bewegung der Arme und Beine. Es liegt nichts Hektisches in dieser Bewegung, aber sie schreitet eindeutig mit dem rechten Bein vorwärts und bewegt passend dazu ihren rechten Arm. Mit ganz wenigen bildnerischen Mitteln und einem sparsamen Einsatz von Farben sehen wir so eine unbekleidete Person auf ihrem Weg weg von uns. Die hellere grüne Farbe, die eingesetzt ist, um die Umrisse des Körpers erkennbar werden zu lassen, wirkt dabei ein wenig wie eine Lichtaura, die ihr den Weg weist.
Dieses Relief drückt mit wenigen Mitteln deutlich die Idee einer Geschichte aus, in der dieser Rückenakt eine wie auch immer geartete Rolle spielt. Wer möchte, kann in dieser Darstellung symbolhaft die Einheit von Mensch und Natur sehen, ohne kulturelle Deformation. Man kann als BetrachterIn ebensogut die Illustration zu einer Erzählung mit erotischemTouch sehen. In jedem Fall hebt sich die dargestellte Figur keineswegs nur schemenhaft von ihrer Umgebung ab. Ganz im Gegenteil, man glaubt eine sehr genaue, beinahe detailgetreue Rückendarstellung zu sehen. Dieser Eindruck entsteht einmal durch den geschickten Einsatz der Glasurfarben, die eine ausgeprägte Licht- und Schattenwirkung erzeugen. Der Eindruck der Detailgenauigkeit entsteht aber auch durch die Oberflächengestaltung. Wir, die BetrachterInnen, sehen nicht einfach eine glatte Hautoberfläche, sondern durch den Einsatz eines entsprechenden Werkzeuges bei der Oberflächenbearbeitung lebt die Haut durch die Reflexion des Lichts an vielen kleinen Unebenheiten. So entsteht der Eindruck einer sehr genauen, viele Einzelheiten zeigenden Körperoberfläche. Man glaubt daher z.B. als genaue Einzelheit die Falte in der Kniekehle des rechten Beins zu erkennen, oder die feine Linie zwischen linkem Oberschenkel und dem Gesäßansatz. Diese scheinbaren Kleinigkeiten geben diesem Akt einen zarten erotischen Touch, der natürlich wieder den Eindruck verstärkt, dass man dort klar und deutlich eine individuelle Person gehen sieht, die man zu kennen glaubt. Diese Wandskulptur erhält so ein subtiles emotionales Flair, das anrührt. Entsprechend erinnert sie in ihrer Expressivität an Rückenakte deutscher Expressionisten, etwa an die Schlafende in Rot von Christian Rohlfs von 1923.
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