Ja - es gibt Fabelwesen

Ja, es gibt Fabelwesen

Wandskulptur  Paperclay schamottiert, anthrazitfarben                                                        brennend. Bemalt mit Glasurfarben und Sinterengoben.                                                                Gebrannt bei 1070 °C                                                        2021                                            

  Abstrakte Kunst erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Viele abstrakte Bilder langweilen nach kurzer Zeit, weil sie den BetrachterInnen keinerlei Grund zu längerer Betrachtung bieten. Das ist bei den Wandskulpturen von B.Chr.K.Barten ganz anders. Sie machen neugierig und fordern geradezu auf, genauer hinzusehen. Da man bei der "Sucherei" immer wieder mit so etwas wie einem Sucherfolg belohnt wird, macht man gerne weiter, weil Erfolg nun mal glücklich macht. Das Betrachten dieser Wandskulpturen macht eben auch Spaß. Das kann man nicht von jedem abstrakten Kunstwerk sagen. Da die Künstlerin ihre Elemente nicht einfach kopierend als Wiederholung einsetzt, sondern dabei immer auch abwandelt, fühlt man sich streckenweise auch ein wenig an der Nase herumgeführt, um dann doch den nächsten Erfolg für sich buchen zu können. Für die Betrachterin/den Betrachter besitzen diese Wandskulpturen daher auch ein gewisses Suchtpotential. Nur eines steht dieser Wirkung wohl entgegen - Mangel an Zeit. Je mehr Zeit man sich und den Kunstwerken dieser Künstlerin gönnt, desto süßer ist das "Gift" das sie verströmen.

       

   Die Größe einer Künstlerin/eines Künstlers ist nicht objektiv meßbar. Die Anzahl von BesucherInnen, BetrachterInnen oder kommentierenden Interpretationsversuchen mag als Hilfsmittel angesehen werden. In Zeiten des Internets, in der schon ein "Daumen hoch" als geistige Sonderleistung gilt, verliert auch dieses Hilfsmittel seinen ernst zu nehmenden Bewertungswert. Dennoch  versucht der Mensch immer auch, die Eigenheit oder noch besser Einzigartigkeit eines Kunstwerks und dessen/deren Schöpfer/in zu ergründen. Davon lebt die Kunstkritik. Endgültige Ergebnisse und Bewertungen sind dabei nicht zu erwarten. Letztlich ist man auch als Kritiker bestenfalls vom Wert eines Kunstwerks überzeugt, letzte Gewissheit gibt es auch für sie oder ihn nicht.

 

     Dies gilt auch für die Arbeiten von B.C.Barten. Erschwert wird die bewertende Betrachtung dieser Künstlerin durch den für die meisten BetrachterInnen ungewöhnlichen Materialeinsatz. Ihr Material ist Paperclay, also Ton, dem Zellulose beigemischt wurde. Da sie gerne schamottierte Tone einsetzt wegen deren andere Oberflächenbeschaffenheit, muss sie ihren Paperclay selber herstellen, denn die Industrie bietet so etwas nicht/noch nicht an. Die Nachfrage ist einfach zu gering. Paperclay lässt sich zeitlich wesentlich länger plastisch bearbeiten als normaler Ton. Auch unterschiedlich farbige Tone und unterschiedliche Korngrößen der Schamottierung stören dabei nicht. Mit Tonschlicker lassen sich fast alle Einzelelemente zu einem Gesamtwerk verbinden. Nicht einmal Glasuren sind nötig, um die  auf die Grundplatte aufgebarbeiteten Einzelelemente fest mit dieser zu verbinden. Tonschlicker reicht als verbindendes Element bei Paperclay völlig aus.

 

   Das Material bietet einen weiteren großen Vorteil, wie man an dieser Wandskulptur besonders schön ablesen kann. Die als Leinwand dienende Grundplatte wird mit einer Art Kuchenrolle zur "tönernen" Leinwand ausgerollt. Sie ist also zunächst glatt, ähnlich wie eine durch Grundierungen vorbereitete Leinwand. Mit einem Pinsel kann man auf dieser "Leinwand" nun Schlicker aufbringen. Man kann damit ganz klassisch malen. Genau das hat die Künstlerin bei diesem Relief gemacht, bevor sie mit der Aufbringung ihrer diversen bildnerischen Einzelvokablen begann. Das Arbeitsmaterial weist einen weiteren, nicht unerheblichen Unterschied zu "normalen" Bildern aus. Die skulpturähnliche, dreidimensionale Oberfläche fordert förmlich zu einer haptischen Kontaktaufnahme auf, ähnlich wie etwa eine Bronzeskulptur - und, anders als bei einem Gemälde, erlauben das eingesetzte Material (Ton) und die Farben (Glasurfarben und Sinterengoben) dies auch.

 

   Vermutlich ist der formale Aufbau wenigstens ansatzweise bewusst gewählt worden, denn diese Wandskulptur gehört zu jenen Arbeiten der Künstlerin, bei denen der Lichteinfall wegen des Schattenwurfs eine besondere Rolle spielt. Mit unterschiedlich einfallendem Licht verändert sich diese Wandskulptur besonders stark. Und das gilt auch für die die dreidimensionalen Einzelelemente tragende "tönerne Leinwand". Schon in dieser Einzelaufnahme wird sofort deutlich, dass der Schattenwurf Teil der Gesamtwirkung ausmacht. Nur der Einsatz der Glasurfarben fixiert eine bestimmte Grundordnung der Gestaltungselemente. So steht diese Arbeit einmal mehr an der Grenze zwischen zweidimensionalem, flächigen Bild und dreidimensionaler Plastik. Der Begriff "Wandskulptur", den B.Chr.K.Barten für ihre Arbeiten gewählt hat,  findet hier seine Begründung.

 

   Die Künstlerin hat auch dieser Arbeit keinen Titel beigegeben. Die Entschlüsselung bleibt - wie bei aller ernsthaft abstrakter Kunst - Aufgabe der BetrachterInnen. Auch die oben benannten Materialkenntnisse helfen dabei nur begrenzt. Es existiert keine außerbildnerische Begrifflichkeit, die beim Verständnis helfen könnte. Es bleiben abstrakte bildnerische Vokabeln, die für uns nur durch unsere persönliche assoziative Erinnerung subjektiv entschlüsselt werden können. Das macht ja gerade den Reiz guter abstrakter Kunst aus, dass ihre assoziative Energie nicht objektiv messbar, also auch nicht skalierbar und grafisch darstellbar ist, obwohl sie für die meisten BetrachterInnen spürbar vorhanden ist. Jede/r Einzelne muss schlussendlich bereit sein, sich darauf einzulassen. 

 

   Allerdings bieten Ihre Arbeiten formale Hilfen an. An dieser Wandskulptur ist besonders gut zu illustrieren, dass B.Chr.K.Barten u.a. mit Wiederholungen arbeitet, auch, wenn dies nicht sofort zu erkennen sind. So finden sich z.B. oben halblinks (nicht mehr ganz in der Mitte) und unten rechts Elemente, die beide, wenn man möchte, als Segelboote klassifiziert werden können. Beide "Bootskörper" sind nur als schmale (mit gleicher Farbe bemalt) Linie ausgeführt. Beide Boote (wenn man sie denn so deuten will) tragen jeweils ein Dreieckssegel und einen Spinacker. Die Künstlerin hat dies nach eigenem Bekunden nicht bewusst so gestaltet, aber es hat sich im Ergebnis ihrer gestalterischen Arbeit so ergeben. Ähnliche formale Wiederholungen - man könnte auch sagen Spiegelungen - finden sich noch weitere in dieser Wandskulptur. Ein bisschen kommt man sich als  BetrachterIn vor wie bei der Entschlüsselung eines Suchbildes oder eines Vexierspiels. Entsprechend haben viele ihrer Wandskulpturen auch einen hohen Unterhaltungswert.  Auch das macht gute abstrakte Kunst aus.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0